ESG
Dienstag, 03. Mai 2022 | 228 Aufrufe

Nachhaltigkeitsstrategien in der Unternehmenssteuerung: Wertsteigerung und Compliance


Die Gipfelsession zum Thema ESG-Strategie und -Steuerung wurde von Ulrich Dommer, Partner bei der KPMG, Timo Stoll, Partner bei Deal Advisory Strategy, und Markus Köllmann, Senior Vice President für Corporate Controlling bei der Brenntag SE, geleitet. Die Diskussion drehte sich um die Steuerung und Implementierung von Nachhaltigkeitsstrategien in der Unternehmenssteuerung und das Ausnutzen deren Wertsteigerungspotenziale.

Die Unternehmen sollten sich fragen, warum sie nachhaltig sein sollten. Compliance bietet nur den Ausgangspunkt zur Wertbeibehaltung, jedoch gibt es auch Chancen für eine Wertsteigerung im Unternehmen. Zu diesen Chancen zählen neue Kundengruppen, höhere Marktanteile, Kosteneffizienz, eine gesteigerte Mitarbeiterproduktivität und Investmentoptimierung.

Ein konkretes Beispiel für die Chancen in Bezug auf Nachhaltigkeit liegt im B2C-Bereich mit den umsatzseitigen Potentialen nachhaltiger Produkte. Doch auch der B2B-Bereich profitiert, wie das Beispiel eines Prozestechnologieherstellers zeigt, der durch eine herausragende Nachhaltigkeitsstrategie und Kommunikation eine bessere Positionierung und dadurch neue Kundenkontakte erzielen konnte.

Nachhaltigkeitsstrategie: Identifizierung von Möglichkeiten und Implementierung nachhaltiger Initiativen in Unternehmen

Erste Gespräche mit Kunden zeigen oft viele Initiativen zur Nachhaltigkeit, aber ohne eine strukturierte Nachhaltigkeitsstrategie sind diese nur eine Ansammlung von Aktivitäten, die schwer intern und extern kommuniziert oder nachvollzogen werden können. Daher ist es wichtig, zunächst ein konsistentes Leitbild zu erstellen, das das gewünschte Ziel definiert.
Die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie erfolgt typischerweise in drei Schritten. Im ersten Schritt wird der Status quo analysiert, um zu erkennen, welche wesentlichen Handlungsfelder das Unternehmen beeinflussen kann und wie reif diese sind. Im zweiten Schritt werden Ambitionen definiert: Wo und wie möchte sich das Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb entwickeln oder sich von ihm abheben? Wo sieht es strategische Felder? Der dritte Schritt ist die Operationalisierung: Es geht um die Umsetzung der Strategie in konkrete Maßnahmen, die Priorisierung dieser Maßnahmen und das Definieren von Zielen und Zeitplänen.
Brenntag, zum Beispiel, hat verschiedene Aspekte seiner Nachhaltigkeitsstrategie identifiziert. Sie sehen wachsende Marktchancen durch die Kundennachfrage nach nachhaltigen Produkten und merken das Wachstum nachhaltiger Marktsegmente gegenüber den traditionellen. Allerdings gab es auch eine Diskrepanz zwischen ihren ESG-Ratings und ihrem Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels, was sie dazu veranlasst hat, noch mehr zu tun. Sie sind motiviert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und fühlen sich von ihren Stakeholdern bestätigt.

Bemühungen um Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität in Unternehmen

Die Mitarbeiter und Bewerber eines Unternehmens haben ein Interesse daran, dass dieses nachhaltig ist. Ausgehend davon hat das Unternehmen Renntag sich ambitionierte Ziele gesetzt, darunter, bis 2045 Net Zero und schon 2025 Carbon Neutral zu sein. Um den Fortschritt in Richtung dieser Ziele zu messen, muss man sich mit umfangreichen ESG-Katalogen beschäftigen, priorisieren und bestimmen, welche KPIs im monatlichen Reporting an oberster Stelle stehen, und welche genügen, wenn sie analog dargestellt werden.
Transparenz ist der Schlüssel für diesen Prozess, um festzulegen, ob das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist. Darüber hinaus muss das Management über passende Steuerungsinstrumente verfügen, um das Unternehmen Schritt für Schritt näher an sein Ziel heranzuführen. Konkret hat sich Renntag dazu entschieden, einen CO2-Preis einzuführen, der in den Gewinn- und Verlustmeldungen auftaucht und zu tatsächlichen Zahlungen zwischen verschiedenen Unternehmen führt.
Die Festlegung eines CO2-Preises hat zur Folge, dass Nachhaltigkeit im Zentrum der Unternehmensführung steht und Belohnungen für solche gewährt, die den Klimaschutz fördern. Es ermöglicht auch, die Mittel gezielt einzusetzen, um das Unternehmen weiter nach vorne zu bringen und stellt sicher, dass Nachhaltigkeitsprojekte nicht mehr gegen Ersatzinvestitionen konkurrieren. Der Bericht betont den Bedarf an einer Investition von 5,7 Billionen Dollar pro Jahr bis 2030, um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten, was zu Diskussionen darüber führt, wer das Geld erhält - ob Nachhaltigkeit oder Finanzen.

Verschärfte Anforderungen an Steuerungssysteme und Datenmanagement im Kontext der integrierten Finanz- und Nicht-Finanz-Berichterstattung

Die Harmonisierung von finanziellen und nicht finanziellen Aspekten in der Unternehmenssteuerung ist eine dringende Notwendigkeit. Während die Systeme und Prozesse für das finanzielle Reporting in den letzten Jahrzehnten optimiert wurden, ermöglicht dies nahezu Echtzeit-Berichterstattung. Demgegenüber steht das Reporting von nicht finanziellen Informationen noch am Anfang seiner Entwicklung, mit ineffizienten Prozessen und geringer Datenqualität.
Es besteht insbesondere eine Notwendigkeit, die Berichterstattungsprozesse in Bezug auf nachhaltige Aspekte zu synchronisieren und in den Jahresabschluss zu integrieren. Angesichts der wachsenden regulatorischen Anforderungen in Bezug auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsinformationen besteht dringender Handlungsbedarf. Während finanzielle Steuerungssysteme über Jahre hinweg gereift sind, müssen nicht finanzielle Systeme dieses Niveau zügig erreichen, um die Anforderungen zu erfüllen.
Ein weiteres Problem ist das Datenmanagement. Während die Daten für finanzielle Berichte hauptsächlich aus einheitlichen Systemen stammen, sind die Quellen für nicht finanzielle Informationen vielfältig und weit gestreut. Die Integration dieser Daten in ein kohärentes Managementsystem gemeinsam mit den Finanzinformationen stellt eine erhebliche Herausforderung dar, zumal die Datensammlung und -harmonisierung aufwendig und komplex ist.

Herausforderungen und Lösungsansätze im Bereich Nachhaltigkeit in multinationalen Unternehmen

Die erste Herausforderung besteht darin, Daten aus einem weltweit agierenden Konzern zu sammeln, insbesondere im Bereich CO2-Datenerfassung für Nachhaltigkeitsvergleiche und Effektivitätsprüfung von Maßnahmen. CO2-Daten basieren häufig auf Datenbankeinträgen, Schätzungen und Expertenbefragungen, was zur Unzuverlässigkeit führt. Zusätzlich wird das Thema Scope 3 oft vernachlässigt, was wichtige Informationen über die Lieferkette verbirgt. Zahlreiche relevante Leistungsindikatoren (KPIs) sind zu berücksichtigen, aber der mangelnde Datenstandard und das Fehlen eines angemessenen Formats zur Informationsfreigabe bleiben eine Herausforderung.
Die meisten der genannten Probleme sind technisch lösbar, allerdings stellt sich die Frage, wie bereit Unternehmen sind, aktive Schritte zur Lösung zu unternehmen, anstatt lediglich auf regulatorische Mindestanforderungen zu reagieren. Es besteht die Gefahr, dass Regulierungslücken für Greenwashing genutzt werden. Trotzdem scheinen viele Unternehmen bereit, ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.
Für den Übergang von einem reaktiven zu einem proaktiven Nachhaltigkeitsmanagement muss die Nachhaltigkeitsstrategie eng mit der Unternehmensstrategie verzahnt sein. Es ist unerlässlich, dass alle Abteilungen ein gemeinsames Verständnis der Prioritäten und Ziele haben. Dazu gehört die Festlegung von KPIs, Zielen und entsprechenden Anreizen für die gesamte Organisation. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wechsel von einer auf Steuerungsmechanismen basierenden Argumentation hin zu einer nachhaltigkeitsorientierten Perspektive.

Unterschätzter Baustein in der Unternehmensberatung: Kommunikation und Change


Der erste Aspekt, der oft unterschätzt wird, ist der Baustein Kommunikation und Change. Es geht darum, wie man Mitarbeiter durch entsprechende Maßnahmen mitnimmt, um die Nachhaltigkeitsstrategie zu vermitteln. Dies umfasst nicht nur die Vermittlung der Ziele, sondern auch die Sinnhaftigkeit dieser Ziele.
Darüber hinaus gilt das gleiche Prinzip für externe Stakeholder. Dies können Investoren, Kunden oder die breitere Gesellschaft sein. Auch ihnen gegenüber ist es relevant, die Nachhaltigkeitsstrategie verständlich und transparent zu kommunizieren.
Zum Abschluss, möchten wir uns bei Markus bedanken, der seine spannenden Einblicke von Brenntag geteilt hat. Wir ermutigen Sie, sich bei Fragen rund um ESG, Strategie und Steuerung jederzeit gerne bei uns zu melden.

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